New CD release from LabelUsineS


Shirley Anne Hofmann : "Alptraum"
Listen to "Dance on a Rooftop" (mp3 : 471 Ko)

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Musikalische Euphorie ist eine besondere Form von Glück. Shirley Anne Hofmann genießt dieses Glück in vollen Zügen. Die Quellen ihrer Euphorie liegen auf der Hand. Da sind zum einen die schier unerschöpflichen Möglichkeiten des Instrumentariums, das sie nach Lust
und Laune einsetzt, allem voran das liebgewordene Euphonium (niemand läßt dieses so sperrig anmutende Gerät mit einer so tänzerischen, poetischen Leichtigkeit erklingen wie sie). Da ist zum anderen die weite Welt der kompositorischen und improvisatorischen Phantasie, in der sie sich ganz ungeniert tummelt - hingebungsvoll, leidenschaftlich, sehr ernst, dabei mit einer sympathischen Portion Humor.

Grenzen scheint die gebürtige Kanadierin, die via Frankreich nach Deutschland kam und heute in der Schweiz lebt, nicht zu kennen. Dort wo andere welche gezogen haben, reagiert Shirley Anne Hofmann mit Erstaunen und mit spielerischer Unbekümmertheit.
Seit sie als zeitweises Mitglied der Avantrock-Dadaisten The Blech die Freiheit des ganz persönlichen Ausdrucks entdeckte, gibt es für sie kein Zurück mehr. Nach dem wundervollen Erstling "From the Depths" ist dies der zweite Streich unter eigenem Namen: ein weiterer betörender Streifzug zwischen Nah und Fern, mit vertrauten Momenten,
mit charmanten Kapriolen und vielen überraschenden Stationen. Ein Album wie eine
traum-hafte, tänzerische, euphorische Reise.

Shirley Anne Hofmann nimmt uns mit auf einen phantastischen Flug. Munter mischen sich reale Eindrücke und imaginäre Szenen. Klänge werden zu Bildern, zu Landschaften, zu Geschichten - bunt fröhlich, grotesk, sehnsüchtig-sentimntal. Vom Dachfirst heben wir ab in die Lüfte, lassen Drahtseil, Telefonmasten und technologisches Wunderwerk unter uns, gleiten durch den Äther, träumen uns über Täler und Berggipfel, lauschen hinein ins russische Gemüt, erreichen das Meer, kehren schließlich zurück ins Alpenländische, in die schweizerische Wahlheimat, ein zentrales Stück Europa, das sich derzeit noch schwer tut mit der Integration in das um Einigkeit bemühte europäisch Orchester. Auf dem weg ziehen (manchmal wehmütige) Klanggrüße aus anderen Regionen vorüber - ein bißchen Böhmen, ein bißchen Kanada, ein bißchen Bavaria. Biographische Fäden, die ihre Spuren hinterlassen haben im musikalischen Fühlen Shirley Anne Hofmanns.

Ihre Erinnerung an die Jugend im kanadischen Prescott, einem kleinen Ort nahe Ottawa,
ist eng verknüpft mit musikalischen Traditionen. Shirley Anne Hofmanns Eltern waren aus dem Sudetenland nach Kanada gekommen. Ihr Vater, ein engagierter Musiklehrer, hielt das volksmusikalische Erbe seiner Herkunft hoch, schätzte klassische Musik und hatte ein Ohr für Big Band-Swing: Eckpunkte von Shirley Anne Hofmanns umfassender Ausbildung. Zum Klavierunterricht kam schnell die Trompete. Als das Schulorchester eine Euphonium-Spielerin brauchte, übernahm Shirley den Platz, ohne die Entwicklung als Pianistin zu vernachlässigen. Böhmische Volksmusik begleitete sie bis über den Hochschulabschluß hinaus. Eigentlich schwebte Shirley Anne Hofmann eine Karriere als Jazzmusikerin vor. Tatsächlich landete sie in Brotjobs, die sie alsbald nach Europa führten: aus einer Wirtshaus-Kapelle in Montreal zu einem tschechoslowakischen Festzelt-Orchester in Südfrankreich, schließlich ins bayerische Konstanz, der Heimat von The Blech (1993 erhielt sie den Kunstförderpreis der Stadt). Parallel zur Arbeit mit dem skurrilen Terzett entwickelte sie die Grundzüge ihres Soloprogramms. Das CD-Debüt markierte den Wechsel aus dem The Blech-Umfeld ins schweizerische Neuchâtel: in die kreative Gesellschaft von Multiinstrumentalist und Studiotüftler Momo Rossel und zu L'Ensemble Rayé, dessen Mitglied Shirley Anne Hofmann bis Mitte 1999 war (CD "En Frac!", LabelUsineS). Heute spielt sie unter anderem in dem von Nino Rota ausgehenden Orkester Ben Jeger (CD "Idraulica!", LabelUsineS). Doch nichts ist ihr näher als das kontinuierlich weiterentwickelte, in zahlreichen Auftritten erprobte und verfeinerte Soloprogramm. Mit dem zweiten Album hat sich Shirley Anne Hofmann so viel Zeit gelassen wie sie es für notwendig erachtete - mit dem Resultat, dass die kreative Dichte eigentlich für zwei weitere Alben reichen würde. Auf Songtexte verzichtet sie heute weitgehend, dafür erzählt die Musik umso mehr, umso lebendiger. Auf die vokalen Qualitäten der Kanadierin brauchen wir trozdem nicht zu verzichten, bis hin zum unvergleichlichen Hofmann'schen Jodler.

Als das Album langsam Form annahm, schälte sich heraus, dass es eine Platte mit Tänzen, mit Tanz-Musiken werden würde. Tango, Walzer, Square-Dance, Bolero - an verschiedenen, teils abenteuerlustig ausgelegten Tanz-Formen herrscht kein Mangel. Viel faszinierender ist allerdings, dass diese Musiken den Geist, die Vorstellungskraft, die Seele tanzen lassen, in welchem Rhythmus, in welchen Stimmungen auch immer. Das schönste, was Musik bewirken kann. Shirley Anne Hofmann's Euphoria ist ansteckend. Eine wunderbare musikalische Perspektive hinein in die kommenden Jahre.

Guten Flug!


Arne Schumacher,
März 2000